Das Phantom der Mode
Ein Name, der heute in gefühlt jedem zweiten Rap-Text vorkommt. Ein Phantom, über das nur wenig bekannt ist. Vor allem aber jemand, der mit seinen Kreationen für großes Aufsehen gesorgt hat – Aufsehen, das seither niemand in gleicher Weise rekonstruieren konnte.
Martin Margiela, der bei seiner ersten Fashion Show einen Schuh präsentierte, den es so zuvor nie gegeben hatte: den Tabi-Stiefel – inspiriert von den Arbeitsschuhen japanischer Gartenarbeiter, mit dem berüchtigten Toe-Split. Doch dieser Mann verkörpert weit mehr als nur zwei gespreizte Zehen, die an die einer Ziege erinnern. Die Rekonstruktion alter Kleidungsstücke wird mit kaum einem Namen so stark verbunden wie mit Margiela. Und das soll etwas heißen, denn niemand Geringeres als Rei Kawakubo (Comme des Garçons) brachte diese Stilrichtung bereits zuvor ins Rollen. Was Margiela jedoch am stärksten von anderen Designern unterscheidet, ist die Tatsache, dass niemand wirklich weiß, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. Martin hat sich nie bewusst öffentlich gezeigt – und tat dies, wie er in seiner Dokumentation In His Own Words selbst berichtet, ganz bewusst: damit nicht er als Gesicht mit seinem Label in Verbindung gebracht wird, sondern ausschließlich sein kreativer Ausdruck, seine Modeschöpfungen.
Für mich ist alles an dieser Person faszinierend. In 20 Jahren Karriere hat er auf seine ganz eigene Art die Modewelt auf den Kopf gestellt. Er hielt sich nicht an Konventionen: Seine Shows fanden an abgelegenen Orten statt, er castete seine Models auf der Straße, und jede seiner Kollektionen sorgte für Aufregung – und definitiv auch für Empörung. All das sind natürlich Dinge, die Margiela nicht als Erster praktizierte, doch die Art und Weise, wie er sie umsetzte und den Begriff Mode interpretierte, war einzigartig. Auch seine Models wurden oft durch z. B. Masken unkenntlich gemacht, um den Fokus vollständig auf die Kleidung zu lenken – ein deutlicher Ausdruck seiner Liebe zur Mode. Und wenn etwas nicht Margiela-like war, wurde es Margiela-like gemacht – sei es durch das Einbrennen eines Bügeleisens. Er selbst beschreibt sich als einen sehr ernsten Mann, der vieles in dieser Industrie wohl überkompliziert anging - was sich jedoch zweifellos durch die hohe Anerkennung seiner Werke und Shows in den Sphären dieser Kunstform ausgezahlt hat. Ich werde hier bewusst nicht auf einzelne Kollektionen oder Stücke eingehen, da das den Rahmen sprengen würde, kann aber jedem empfehlen, sich Footage seiner Shows auf YouTube anzusehen.
Mit dem Anbruch des Internets verabschiedete sich Martin von der Modewelt – ein enormer Verlust. Dem Ansturm der digitalen Welt wollte er nicht standhalten und entschied sich für einen stillen Abschied. Seit seinem Rückzug haben sich viele an seinem Werk inspiriert – etwa der riesige Hype um Oversized-Looks, die Margiela bereits in den 90ern auf die Spitze trieb. In der Zwischenzeit widmete er sich anderen Ausdrucksformen: Bildhauerei, Malerei oder anderen Künsten.
Wer heute an Maison Martin Margiela denkt, denkt an rockige Looks, Tabis, durch und durch weiße Showrooms und das berühmte Nummern-Tag. Auf einige dieser Dinge werde ich in separaten Posts noch näher eingehen, denn es ist mir wichtig, das Schaffen dieser besonderen Person würdig wiederzugeben.