Blut
Man nehme einen Walkman, den teuersten Anzug, den man finden kann, und beschallt sich entweder mit Whitney Houstons perfektem Song „How Will I Know“ oder dem eindeutig besten Titel von Huey Lewis and the News – „Hip to Be Square“. Nun noch eine beliebige Begleitung für den heutigen Abend und ab ins Dorsia mit dir! Nach dem eher mittelmäßigen Abend geht es ab nach Hause, wo bereits die Axt auf das präzise Durchtrennen der Wirbelsäule deines Dates wartet. Et voilà – so easy verläuft ein Tag im Leben des Patrick Bateman.
Dass diese Absurdität heute oft in der Sigma-Bewegung gefeiert wird, zeigt, wie sehr die Figur missverstanden wird. Bateman war nie als Vorbild gedacht, sondern als Karikatur einer narzisstischen Wall-Street-Generation. Diese Fehlinterpretation liegt womöglich an Christian Bales grenzenlosem Charisma und seiner nahezu perfekten Interpretation der Buchfigur. Trotzdem sollte es nicht zu viel verlangt sein, die Ironie in diesem Werk aufzuspüren.
Nachdem ich nun endlich auch das Buch lesen konnte, fühle ich mich geradezu auserwählt, meine unbedeutenden Worte über eines der besten und bedeutsamsten Werke über toxische Männlichkeit zu verlieren.
Die Wall Street in den Achtzigern ist voll von Hochleistungsbluffern, denen nichts wichtiger ist, als durch ihren Erfolg und ihre maßgeschneiderten Anzüge aus der Masse zu stechen. Doch genau das treibt sie noch tiefer in einen Einheitsbrei voller Armani Sakkos, Ralph Lauren Hosen und Testoni Loafern. Doch einer sticht hervor: Hamilton! Sorry, Halberstam! Oder war es doch Bateman? Egal – auf jeden Fall der Typ, der den besten Tan von allen hat, jedoch traurigerweise keine eigene Sonnenbank besitzt, sondern tatsächlich noch selbst ins Solarium gehen muss. Der Mann, der eine heftigere Skincare-Routine als jeder Influencer genießt. Der Mann, der es liebt, mit seinen ebenso reichen, nicht ganz so schönen Freunden über die neueste Ausgabe der Betty Winters Show zu reden.
Der langsame Verfall des Protagonisten zeichnet sich in der Themenwahl der Show wohl am besten ab. Wo es zu Beginn um das richtige Zubereiten von Thunfisch-Sandwiches geht, beschäftigt man sich auf den hinteren Seiten des Buchs schon mit dem idealen Anzünden einer Frau. Bret Easton Ellis, der Autor des Buchs, versteht es wie kein anderer, Dinge so absurd und detailliert wie möglich zu erzählen. Das trifft sowohl auf die täglich verschiedenen Outfits aller Beteiligten als auch auf jede noch so grausame Mordszene zu. Das Buch liest sich teilweise wie ein Fiebertraum und mag für den ein oder anderen durch die zahlreichen Outfitbeschreibungen sehr zäh und repetitiv wirken – mich ließ es jedoch in keinem Moment los. Also geht hier mal klar die Empfehlung raus, seine Zeit auch gerne mal dem Buch zu schenken.
Mary Harron, der Regisseurin des Films, gehört aber eindeutig genauso großes Lob ausgesprochen. Den gesamten Vibe des Buches auf knapp über eineinhalb Stunden Film zu übertragen, benötigt viel Geschick. Obwohl sie nichts mehr bereut, als den Namen von Paul Owen im Film auf Paul Allen geändert zu haben, finde ich, passt dieser Namenswechsel ideal in die Idee des Buchs, da kaum etwas so prägnant ist wie das ständige Verwechseln der Nachnamen aller Beteiligten.
Christian Bale: eins der besten Castings überhaupt, wie ich finde. Er schafft es, jede Facette des Hauptcharakters so überzeugend zu spielen, dass es fast schon unangenehm ist. Egal, in welcher Situation er sich gerade befindet – er behält immer diesen kalten, fast toten Unterton, der uns wissen lässt, dass niemand zu keiner Zeit sicher vor ihm und seinen Gedanken ist. Dieses unangenehme Gefühl zieht sich durch den gesamten Film, was auch diesen surreal und fiebrig wirken lässt – komplementär zum Buch.
Neben Fight Club zählt American Psycho, wie bereits erwähnt, zu den wichtigsten Werken der 90er und generell des späten 20. Jahrhunderts. Es setzt sich auf eine ganz besondere Art und Weise mit toxischer Männlichkeit, Kapitalismus und dem (richtigen?) Umgang mit den eigenen Gedanken auseinander. Durch das Leaken einiger Seiten aus dem Buch, die dummerweise von dem Mord an einer Frau handelten, schlug das Werk bereits vor seiner Veröffentlichung Wellen und sorgte für Furore. Wie gestört kann ein Mann sein, dass er so etwas so ausdetailliert formuliert? Ellis erhielt im Laufe der Zeit sogar Morddrohungen. All dies legte sich jedoch, als das Buch veröffentlicht wurde und die Leute sahen, womit sie es wirklich zu tun hatten – um den Autor persönlich zu zitieren: „It’s just some boring novel.“